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20.06.2023
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Food & Health: die Zukunft unserer Lebensmittel führt uns in die Vergangenheit

„Der Mensch ist, was er isst“, sagte der deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach, der davon überzeugt war, dass die Lebenserwartung von Menschen mit ihrer Ernährung zusammenhängt. Ein Ansatz, der in vielen unterschiedlichen Disziplinen wissenschaftlich belegt wurde und auch im Zentrum eines unserer Technologiefelder steht: Food & Health. Forschung & Entwicklung und der Technologietransfer in diesem Bereich spannen Brücken zwischen Laboren und Unternehmen und bringen unterschiedliche Kompetenzen zusammen, mit einem Ziel: Lösungen zum Wohle unserer Gesundheit und unserer Umwelt zu entwickeln.

„Das Thema gesunde Ernährung ist allgegenwärtig. Immer mehr Menschen legen großen Wert darauf, sich gesund zu ernähren, und begreifen, welchen Einfluss Lebensmittel auf unser Wohlbefinden haben. Mit unserer Arbeit wollen wir noch bessere Antworten auf Fragen in diesem Bereich liefern und dank biomedizinischer Methoden das Verständnis für das Zusammenspiel von Ernährung und Gesundheit weiter vertiefen sowie Unternehmen zugänglich machen“, erklärt Matthias Fill, Head of Tech Transfer Food & Health. Aus diesem Grundwurde das ursprüngliche Technologiefeld Food in einem interaktiven Spezialisierungsprozess auf Food & Health erweitert, mit den Schwerpunkten Rohstoffe & Nebenprodukte, Optimale Verarbeitung & Fermentation sowie Omics & Precision Health. „Damit decken wir die gesamte Wertschöpfungskette ab - von den Rohstoffen über die Verarbeitung bis hin zu den Auswirkungen auf den menschlichen Körper - und valorisieren das Know-how und die wissenschaftliche Arbeit der Labore unserer Partner Eurac Research, unibz und Versuchzentrum Laimburg“, so Fill.

 

Ganz auf der Linie dieser Strategie lag das Know-how Transfer Event Human Microbiome Symposium, bei dem am 24. Mai die wichtigsten Stakeholder des Projekts sowie knapp 100 Teilnehmende zusammenkamen. „Das menschliche Mikrobiom spielt eine zentrale Rolle für unsere Gesundheit. Wir sprechen hier von Mikroorganismen,ihrer genetischen Ausstattung sowie den Wechselwirkungen in der jeweiligen Umgebung. Die Anzahl der in und auf dem menschlichen Körper lebenden Mikroorganismen übersteigt vermutlich die unserer eigenen Zellen. Ernährung, Mikroorganismen und andere Faktoren interagieren in unserem Körper und beeinflussen unsere Gesundheit: Um diese zu schützen, wird das Mikrobiom hier bei uns im NOI Techpark aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht. Ein Beispiel: Was wir essen, wirkt sich auf die Mikroorganismen und in Folge auf unsere Verdauung und damit unseren Gesundheitszustand aus. Das menschliche Mikrobiom ist ein so komplexes Thema, dass es in der Forschung eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Partnern braucht. Im NOI Techpark sind viele unterschiedliche Kompetenzen in diesem Bereich vorhanden, des Weiteren wird eine starke nationale und internationale Vernetzung vorangetrieben, um Lösungen für die Zukunft zu erarbeiten. Dieses Symposium war dafür ein wichtiger Startpunkt", so Sandra Fleischmann, Subject Matter Expert im Bereich Optimale Verarbeitung & Fermentation im NOI Techpark. Denn, wie sie unterstreicht: Gerade solche Veranstaltungen seien Türöffner für weitere innovative Kooperationen zwischen Wirtschaft und Forschung.

Im Bereich Rohstoffe & Nebenprodukte steht die Überzeugung im Mittelpunkt, dass es für die Herstellung von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln auch entsprechende Inhaltsstoffe braucht. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf einer ganzheitlichen Verarbeitung von Primär- und Sekundärrohstoffen. Wo dies nicht möglich ist, wird mit der Extraktion, Analyse und Stabilisierung bioaktiver Substanzen aus Nebenprodukten gearbeitet.

 

Beim Thema Optimale Verarbeitung & Fermentation wird dagegen erforscht, wie Primär- und Sekundärrohstoffe sowie Inhaltsstoffe schonend konserviert und wirksam verarbeitet werden können. Der Schwerpunkt liegt also auf Verfahren, die organoleptische und gesundheitsfördernde Eigenschaften von Lebensmitteln aktivieren, angefangen bei der Fermentation, einer uralten Konservierungsmethode, die auch für die moderne Lebensmittelindustrie immer wichtiger wird. Umso zentraler ist es, dass sich das „International Center on Food Fermentations“ im NOI Techpark ansiedelt, in dem Unternehmen mit der Plattform Micro4Food der unibz an langfristigen Projekten arbeiten werden.

 

All dies geht Hand in Hand mit dem Bereich Omics & Precision Health. Hier wird der Schwerpunkt zum einen auf die Molekularbiologie gelegt, die im Lebensmittelbereich immer wichtiger wird, und zum anderen ein ganzheitlicher Gesundheitsansatz verfolgt. Gesunde Ernährung kann zwar die Gesundheit verbessern, sie ist aber nur ein Teil des Puzzles. Dank der Kernkompetenzen des Instituts für Biomedizin von Eurac Research werden in diesem Bereich Dienstleistungen und Lösungen für die so genannte „Präzisionsgesundheit“ entwickelt. Modernste Technologien ermöglichen es, den Einfluss von Lebensmitteln auf die menschliche Gesundheit besser zu verstehen und bilden gleichzeitig die Basis für neue Aktivitäten und Geschäftsideen im Bereich der Gesundheitsprävention.

Auch Forschende von Eurac Research und unibz, zwei wichtige wissenschaftliche Partner im NOI, haben im Rahmen des Symposiums ihre Sichtweise eingebracht und aktuelle Projekte im Bereich Food & Health vorgestellt. Frank Maixner vom Institut für Mumienforschung bei Eurac Research erklärte: „Mumien sind wie Momentaufnahmen aus der Antike, die uns helfen können, die Gegenwart besser zu verstehen. Hier in Bozen haben wir Ötzi, aber weltweit gibt es viele andere Mumien aus unterschiedlichen Epochen: Indem wir an ihnen forschen, ist es möglich, etwas über die Geschichte alter Völker zu erfahren und die Entwicklung von Krankheiten sowie die Konservierung zu verstehen“. Ein Schlüsselfaktor, der heute wesentlich für die Innovation im Bereich Lebensmittel und Gesundheit ist.

 

„Wir hingegen untersuchen, wie das genetische Erbe, die Umwelt, in der wir leben, und unser Lebensstil das Auftreten und die Entwicklung von Krankheiten und die Gesundheit der Menschen beeinflussen“, ergänzt Christian Fuchsberger vom Institut für Biomedizin von Eurac Research. „Konkret haben wir im Vinschgau eine genetische Studie durchgeführt – die sogenannte CHRIS-Studie -, die den enormen Einfluss des Mikrobioms auf die menschliche Gesundheit deutlich gemacht hat. In weiteren und vertiefenden Untersuchungen konnten wir dann je nach Ernährungsform ̶ omnivor, vegetarisch und vegan ̶ sowie Alkoholkonsum und Rauchen bestimmte Veränderungen im Mikrobiom beobachten.“

 

Olga Nikoloudaki von der Freien Universität Bozen, eine Forscherin im Team von Professor Marco Gobbetti, zeigte auf, wie die Ernährung oder wie Probiotika die Zusammensetzung und Funktionalität der Darmmikrobiota beeinflussen. Diese Studien wurden mit dem SHIME (Simulator of the Human Intestinal Microbial Ecosystem) durchgeführt, einem hochtechnologischen Gerät, das den menschlichen Verdauungsprozess simuliert und das in den Laboren der Forschungsplattform Micro4Food der Freien Universität Bozen im NOI Techpark installiert ist. Die Plattform Micro4Food mit ihren sechs komplementär arbeitenden Laboren und drei Pilotanlagen legt ihren Fokus auf die Erforschung der Transformationsprozesse von Lebensmitteln. Eines der Ziele ist es dabei, die Vorzüge der Fermentation zu nutzen, um die ernährungsphysiologischen, funktionellen und organoleptischen Eigenschaften sowie die Haltbarkeit von Lebensmitteln zu verbessern. Dafür werden neue Verfahren und Produkte entwickelt, wobei auch Abfälle und Nebenprodukte der Lebensmittelverarbeitung verwertet werden. „Der SHIME simuliert die menschliche Verdauung über Magen und Darm in vitro unter kontrollierten Bedingungen. Auf diese Weise wird es möglich, die Auswirkungen der Ernährung auf die Entwicklung der Darmmikrobiota und ihrer Stoffwechselprodukte zu untersuchen", erläuterte Nikoloudaki. „Das Gerät besteht aus fünf Bioreaktoren, welche die verschiedenen Abschnitte des Verdauungssystems simulieren: vom Magen über den Dünndarm bis hin zu den drei Regionen des Dickdarms. Über ein computergesteuertes Bedienfeld lassen sich die Temperatur und andere Parameter des Verdauungsprozesses überwachen, sodass wir verstehen können, wie sich die mikrobielle Gemeinschaft und die Darmmikrobiota entwickeln und wie sie sich in Abhängigkeit von einem bestimmten Stimulus, sei es ein Lebensmittel oder ein bestimmter Nährstoff, verändern“, so die Forscherin. Das System ermögliche es laut ihr, sowohl zu überprüfen, wie ein bestimmtes Lebensmittel verdaut wird, als auch seine Auswirkungen auf die bakterielle Zusammensetzung durch die Identifizierung der vorhandenen Mikroorganismen zu beobachten.

 

Forschung und Innovation sind also stärker als je zuvor „strategische Verbündete” des menschlichen Wohlergehens – mit wertvollen Beiträgen aus der Frühgeschichte.