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06.05.2024
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Ein Jahr NOI Techpark Bruneck: im Gespräch mit Klaus Mutschlechner

Herr Mutschlechner, jedes dritte Auto in Europa hat Technologie eingebaut, die in Südtirol entwickelt wurde. Ein Erfolg, zu dem Sie als CEO des Zulieferers Intercable und Präsident des Netzwerkes Automotive Excellence Südtirol mit beitragen. Ist Südtirol und insbesondere das Pustertal in Sachen Innovation im Bereich Automotive also nicht bereits top aufgestellt?

Es braucht nicht nur eine zündende Idee, um das technische Leadership im eigenen Marktsegment einzunehmen, sondern man muss vor allem daran arbeiten, sich stetig zu verbessern und weiterzuentwickeln, um die erste Wahl der Kunden zu bleiben. Somit gibt es für uns nur ein Ziel: kontinuierliche Innovation. Die meisten erfolgreichen Unternehmen unseres Landes sind bereits führend in den Bereichen Qualität und/oder Innovation in ihren jeweiligen Zielmärkten. Und das, obwohl unser Land nicht wirklich der ideale Standort für alternative Strategien wie z. B. „Cost Leadership“, also einen Wettbewerbsvorteil durch die niedrigsten Betriebskosten in der Branche, ist. Trotzdem ist Südtirol und besonders das Pustertal Heimat exzellenter, international wettbewerbsfähiger Industrie- und Technologieunternehmen im Automotivebereich. 8 davon sind Mitglieder des Netzwerks Automotive Excellence Südtirol (Alupress, Autotest, GKN Driveline, GKN Sinter Metals, Tratter Engineering, Intercable, Intercable Automotive Solutions und Abuscom), aber es gibt viele weitere herausragende Unternehmen, wie zum Beispiel Alpitronic, Röchling, Iveco Defence Vehicles, AL-KO, u.v.m. Für jeden dieser Betriebe wäre es fatal, aufzuhören, nach neuen Möglichkeiten zu suchen. Das gilt genauso für unser lokales Wirtschaftssystem. Also ja, wir sind gut aufgestellt, aber wir müssen uns dennoch stetig weiterentwickeln.

 

AES hat sich selbst stark für die im Frühjahr eröffnete zweite Niederlassung des NOI Techpark in Bruneck eingesetzt. Warum?

Weil es notwendig ist, neue Dimensionen zu erkunden und die Grenzen der Innovation und der Unternehmensentwicklung zu erweitern. Wir prüfen neue Methoden der Zusammenarbeit, um mit vereinten Kräften die größten Herausforderungen dieser Zeit gemeinsam – statt jede und jeder für sich – zu meistern. Indem wir Kosten und Risiken, aber vor allem auch Erfahrungen teilen, beschleunigen wir die Handlungsgeschwindigkeit und steigern die Erfolgswahrscheinlichkeit. Kein Unternehmen ist zu groß oder zu gut, um keine Vorteile aus einer Zusammenarbeit zu ziehen.

 

 

Und warum reicht NOI in Bozen nicht aus?

Ein innovatives Wirtschaftsystem muss neben den Unternehmen und Forschungsinstituten auch die lokale Gemeinschaft, die Schulen und die Jugend mit einbeziehen. Deshalb war es eine bewusste Entscheidung, den NOI Techpark zusätzlich zum Innovationsviertel in Bozen auch mitten in einem industriell und wirtschaftlich starken Bezirk wie dem Pustertal anzusiedeln, um dadurch eine bessere Einbindung zu erreichen.

 

Wo liegen aktuell die größten Herausforderungen der Automotive-Zulieferer?

Die zentralen Herausforderungen für die Automobilzulieferer sind hauptsächlich Themen, die branchenübergreifend für die gesamte Industrie gelten: die duale Transformation, also Digitalisierung und Nachhaltigkeit, sowie der Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden. Für uns im Automotive-Sektor sind diese Herausforderungen besonders kritisch, weil qualifizierte Arbeitskräfte für die zunehmende Automatisierung und digitale Lösungen ausschlaggebend sind. Das Thema Nachhaltigkeit hingegen betrifft die gesamte Wertschöpfungskette, begonnen beim Einsatz von recycelten, schadstoffarmen Materialien bis hin zur Entwicklung von umweltfreundlichen Prozessen. Die Liste der Herausforderungen wäre noch viel länger, aber die drei genannten sind jene, von denen wir glauben, dass wir sie gemeinsam besser bewältigen können.

 

Wo kann NOI hier helfen?

NOI ist für uns das ideale neutrale Netzwerk, um die neue Dimension der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Firmen zu starten. Es gab bereits viele erfolgreiche Initiativen enger Zusammenarbeit seit der Entwicklung und Gründung unseres Netzwerks, außerdem eine Reihe von Veranstaltungen und Treffen zwischen Unternehmen, Universität und Forschung, aber auch mit der lokalen Bevölkerung.

 

Wie beispielsweise das Internationalen Forum Mechatronik 2023, bei dem Ende September im NOI Bruneck neue Forschungs- und Entwicklungsergebnisse für die Bereiche Automotive, Maschinenbau, Agrartechnik und IT vorgestellt werden?

Genau, ich denke da etwa an das Internationale Forum Mechatronik oder auch die IN MOTION Festivals, die im Jahr 2023 gestartet sind. Des Weiteren fanden Jobbörsen, gemeinsame Mitarbeiter-Trainings und Networking Activities statt. In den vergangenen Monaten haben wir sehr viele Arbeitsgruppen bestehend aus Mitarbeitenden der verschiedenen Unternehmen initiiert, die sich vor allem mit den vorhin genannten Herausforderungen beschäftig(t)en: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, CO2 Fußabdruck, HR und Recruiting. Zu jeder dieser Arbeitsgruppen hat auch NOI aktiv beigetragen. Durch die Herstellung von Kontakten, die gegebenen Impulse und Denkanstöße konnten schneller Fortschritte erzielt werden. NOI ist für uns ein Zugangsportal, ein Vermittler und ein aufmerksamer Partner, der unsere Vision teilt, einen Mehrwert für unser Wirtschaftssystem und für Südtirol zu generieren.

Sofern die Zahlen noch aktuell sind, gibt es in Südtirol mehr als 800 Unternehmen mit über 16.000 Mitarbeitenden, die in der Automotivebranche tätig sind. Wie stark ausgeprägt ist die Zusammenarbeit in diesem Bereich?

Ich glaube, die Zeit des Umbruchs, in der wir uns jetzt befinden, lehrt viele Unternehmen, dass der Weg über eine Zusammenarbeit nicht nur eine Chance, sondern in vielen Fällen eine Notwendigkeit ist. Wir sehen, dass die Bereitschaft und Offenheit für unternehmensübergreifende Kooperationen Jahr für Jahr zunimmt. Historisch gesehen war der Automotive-Sektor schwer zugänglich, fast verschlossen. Jedes Unternehmen war auf sich selbst konzentriert und hat andere als potentielle Konkurrenten angesehen – bevor die epochalen Herausforderungen, die ich vorher erwähnt habe, zum gemeinsamen Anliegen bzw. zum gemeinsamen Problem wurden.

Sie haben mit AES zumindest für einige große Automotive-Zulieferer wie auch Intercable bereits Erfahrung mit Kooperation und solch gemeinsamen Innovationsprojekten. Was ist der größte Benefit für die Mitglieder?

Einer der größten Vorteile ist der Fokus: Oft gelingt es den einzelnen Unternehmen nicht, die notwendige Aufmerksamkeit - und die nötigen Ressourcen - auf Themen, die nicht dringend zu sein scheinen, zu fokussieren. Mit vereinten Kräften und gemeinsamen Anstrengungen kann man jedoch Ergebnisse erzielen, die man alleine nie erreichen würde.

 

Wir haben über die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit gesprochen. Wie stark ausgeprägt ist hingegen die Koopreation mit Forschungsinstituten und der Universität?

Ab einem bestimmten Level der Komplexität und technischen Innovation ist der Kontakt zur Welt der Forschung und akademischen Bildung von entscheidender Bedeutung. Das war einer der Hauptgründe, der uns dazu veranlasst hat, eine Stiftungsprofessur zum Thema Nachhaltige Produktion mit Prof. Erwin Rauch der Freien Universität Bozen mitzufinanzieren. Mit Prof. Rauch konnten wir einen jungen Südtiroler mit hervorragendem industriellen und akademischen Lebenslauf und ausgezeichneten Ratings im wissenschaftlichen Bereich für die Professur gewinnen.

Diese Zusammenarbeit und die Präsenz in Bruneck sind wichtige Bausteine für die Schaffung einer Innovationscommunity unter Einbeziehung aller Interessensvertreter und der lokalen Gemeinschaft. Dadurch forcieren wir eine Annäherung an die Welt der Forschung und Technologie.

 

Der NOI Techpark in Bruneck soll vor allem im Bereich nachhaltige Mobilität neue Wege aufzeigen. In mehreren Technologiefeldern, allen voran im Bereich Automotive-Automation, wird dazu bereits im NOI Techpark in Bozen geforscht und gearbeitet. Welche Vorteile haben sich daraus für den Automotive-Cluster ergeben?

In 3 Stichpunkten ausgedrückt: 1. Zugang zu den besten Partnern in Forschung, Innovation und Ausbildung auf internationaler Ebene, 2. Beratung in Prozess- und externen Finanzierungsangelegenheiten (z. B. nationale und europäische Fonds) und 3. Know-how Transfer durch laufend neue Möglichkeiten zum Austausch zwischen und Kontakt mit anderen großen und kleinen Industrieunternehmen.

 

Abschließend: Ein Jahr NOI Techpark in Bruneck. Worauf würden Sie bei einer Festrede zu diesem Anlass gerne zurückblicken?

Zuallererst ist dieses erste Jahr wie im Flug vergangen. Wenn ich auf die vergangenen 12 Monate zurückblicke, waren sie voller Veranstaltungen und Aktionen: Es gab mehr als 15 Festivals und Meet-Up-Events, darunter z. B. unser Festival IN MOTION, das nachhaltigen Technologien und Innovationen mit jungen Talenten gewidmet ist. Dann das Internationale Forum Mechatronik, die von unserem Netzwerk unterstützte Gemeinschaftsveranstaltung Thrive, unternehmensübergreifende Schulungen, an denen auch Unternehmen außerhalb unseres Netzwerks beteiligt waren sowie der Besuch von 4 Schulen und Universitäten mit mehr als 1000 Besucherinnen und Besuchern. Es war das Jahr des Umzugs in unser neues Haus und auch das Jahr, in dem mehrere Forschungsprojekte unter der Leitung von Prof. Erwin Rauch lanciert wurden. Sein Forschungsteam besteht inzwischen aus 12 Forschenden, die an internationalen und unternehmensübergreifenden Forschungsprojekten arbeiten. Die kommenden 12 Monate werden also nicht minder von gemeinsamen Projekten und Initiativen geprägt sein.