published
23.05.2023

Forschung, die reale Probleme löst

Das gemeinsame Fusion Grant Projekt von der Freien Universität Bozen und Alperia geht dem Sediment in Stauseen auf den Grund. Ziel ist es, die Sedimentablagerung zu verringern und damit die Sicherheit und ökologische Nachhaltigkeit der Wasserkraft zu erhöhen. 

Wasserkraft ist Südtirols wichtigster Energielieferant – über 90 Prozent des im Land produzierten Stroms werden durch fließendes Wasser gewonnen. Damit die Stromerzeugung unabhängig vom Pegelstand der Flüsse erfolgen kann, wurden in Südtirol zwischen den 1940er und 1960er Jahren insgesamt 14 Speicherseen errichtet. Regelmäßig sind umfangreiche Arbeiten erforderlich, damit sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters sicher und langfristig nutzbar bleiben. Vor allem die Einlagerung von Sediment macht den Betreibern zu schaffen, weil es die Grundabflüsse verstopfen kann und das Fassungsvermögen der Wasserspeicher verringert.

Der Wettbewerb Fusion Grant bot eine optimale Gelegenheit, sich dieser Problematik anzunehmen und im Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft neue Erkenntnisse für einen besseren Umgang mit Sedimentablagerungen in alpinen Stauseen zu liefern. Die Förderung nachhaltiger Forschungskooperationen sowie hochqualifizierter Nachwuchsforschender unter 40 Jahren durch ein Stipendium ist das Ziel der im Jahr 2020 von der Stiftung Südtiroler Sparkasse ins Leben gerufenen Initiative, die vom NOI Techpark koordiniert und vom Südtiroler Wirtschaftsring und Rete Economia – WirtschaftsNetz unterstützt wird.

Dass bei einem Projekt zum Sedimentmanagement in Staubecken Südtirols wichtigster Energieproduzent und Stauseebetreiber Alperia mit im Boot sitzt, war mehr als naheliegend. Als wissenschaftlicher Partner konnte der griechische Hydrologe Konstantinos Kaffas gewonnen werden. Der Forscher der unibz beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Untersuchung von Reservoir-Sedimentationsraten sowie mit Minderungsmaßnahmen am Stauseegrund. Gemeinsam mit Georg Premstaller, bei Alperia verantwortlich für Hydraulik, Umwelt und Simulation, machte er sich anhand der Sedimentation des Stausees in Franzensfeste daran, das Ablagerungsverhalten genauer zu erforschen.

Die bisher wichtigste Erkenntnis der aktuellen Forschungsarbeit: Der größte Teil des Sedimenteintrages in die Staubecken resultiert aus einigen wenigen Unwetter- und Hochwasserereignissen.

So wurden am Stausee Franzensfeste immerhin 10 solcher Ereignisse innerhalb der 14-monatigen Forschungsarbeit gezählt. 200.000 m³ Sediment lagerten sich in dieser Zeit im Stausee ab. Bei insgesamt 1,5 Millionen Kubikmeter Fassungsvermögen eine nicht unerhebliche Menge. Im neuen Thermo Fluid Dynamics Labder unibz im NOI Techpark wurde außerdem die Verteilung des Sediments untersucht. Dafür wurde Wasser durch einen simulierten Flusslauf geleitet und beobachtet, wie sich das schwerere Sediment und die leichteren Schwebstoffe im Wasser verhalten und wie schnell die unterschiedlich großen und schweren Sedimentpartikel zu Boden sinken. 

Daraus wurde dann der im Stausee zu erwartende Sedimenteintrag berechnet. Dass dieser Wert am Ende nur rund sieben Prozent von den tatsächlich vor Ort gemessenen Werten abweicht, wertet Professor Maurizio Righetti, Leiter der Forschungsgruppe Wasserbau an der Freien Universität Bozen und Koordinator des Projekts als besonderen Erfolg: „Eine solche Genauigkeit ist bislang noch bei keinem ähnlich gelagerten Forschungsprojekt erreicht worden und macht unsere Ergebnisse zur Basis für Simulationen des Sedimenteintrags in anderen Staubecken.“ 

Aber nicht alles, was in das Staubecken hineingelangt, bleibt auch auf Dauer dort. Vor allem Schwebstoffe werden mit dem Wasser auch weiter flussabwärts transportiert, erklärt der Forscher Konstantinos Kaffas. „Eine Möglichkeit, auch das Niedersinken eines Teils des schwereren Sediments zu verhindern und damit die Geschiebemenge am Stauseegrund zu reduzieren, wäre es, bei Starkregen oder Unwetterereignissen mehr Wasser als üblich abfließen zu lassen“, erklärt der Forscher eine mögliche Umsetzung seiner Erkenntnisse. 

Damit und mit baulichen Maßnahmen, die den Sediment-Abfluss erleichtern, käme Alperia einem wichtigen Ziel des Projekts näher: Die in regelmäßigen Abständen nötigen Stauseespülungen, die von Gewässerökologen und Fischern stets als äußerst schädlich kritisiert werden, könnten schonender und auch seltener erforderlich werden. Wenn es nach Alperia geht, soll die Forschung im Bereich Sedimentmanagement auch über das aktuelle Fusion Grant Projekt hinaus weiter gehen. Premstaller spricht von „Forschung, die reale Probleme löst“. Nicht zuletzt deshalb habe man vor zehn Jahren den Lehrstuhl für Wasserbau an der Freien Universität Bozen mitgegründet. 

Interessierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die selbst ein Projekt mit Fokus Nachhaltigkeit einreichen möchten, haben ab dem 6. Mai bei der zweiten Ausgabe des Wettbewerbs Fusion Grant die Möglichkeit dazu. Mehr Infos gibt’s unter noi.bz.it/fusion-grant.