Magazine
Nachhaltig, sozial und flexibel: Coworking im neuen NOI Techpark Bruneck
Für Südtiroler Start-ups und KMU ist Giuseppe Franco der Retter im EU-Labyrinth: Er weiß, wie der Zapfhahn der EU-Fonds zu öffnen ist, damit daraus Fördergeld und Geschäftskontakte fließen. Der Leiter derUnit EU-Opportunities im NOI Techpark fühlt sich als Europäer durch und durch. „Ja“, gibt er zu, „ich war immer in Europa unterwegs“. Er mag den europäischen Geist, war Erasmus-Student, er lebt, wie er sagt, „das europäische Leben“. Deshalb ist es für ihn ganz natürlich, dass er, der Kalabrese, seit 13 Jahren für Südtirols Unternehmen die höchstmöglichen EU-Förderungen anpeilt. „Wir sind Partner von Europa“, sagt Franco, „da müssen wir doch die Vorteile nutzen, die es gibt!“. Seine Mission: Südtirol zum Land der Unicorns zu machen. Warum es da gut ist, dass der NOI Techpark beim Enterprise Europe Network EEN dabei ist? Wie Start-ups im EIC Accelerator zum Scale-up werden? Und welche Chancen Südtiroler Start-ups haben? Für Giuseppe Franco könnte man alle Fragen zu einer zusammenfassen: Wie machen Sie Ihr Start-up europafit?
Ehrlich gesagt stehen wir gar nicht so unter Druck, auch und vor allem deshalb, weil unsere Unit eine langjährige Erfahrung in diesen Themen hat und sich auf Innovation und Forschung konzentrier. Deshalb müssen wir den Unternehmen manchmal noch sagen: Hey, es gibt da Chancen, die wir für euch nutzen können. Wenn wir es nicht tun, nehmen andere das Geld oder was die EU sonst noch bietet. Unterstützung gibt es ja nicht nur in Form von Geld, sondern auch als Services. Für Start-ups und innovative Unternehmen kann genau das der Schub sein, um auf dem europäischen Markt zu wachsen, also über Südtirol und Italien hinaus.
Ihre Unit heißt EU-Opportunities. Konkret: Wie bringen Sie Südtiroler Unternehmen nach Europa?
Ich muss einschränken: Wir wollen vor allem Start-ups und innovative Klein- und Mittelbetriebe erfolgreich machen. Das ist auch die Zielgruppe, die von der Europäischen Kommission besonders gefördert wird, und zwar mit sehr spezifischen Programmen. Im NOI Techpark konzentrieren wir unsere Arbeit auf den Förderbereich Innovation, Forschung und Entwicklung. Hier beraten und begleiten wir Unternehmen, damit sie Zugang zu den europäischen Förderungen erhalten. Zugleich helfen wir jungen Unternehmerinnen und Unternehmern, Kontakte zu europäischen Partnern aufzubauen. NOI Techpark ist zusammen mit der HK Bz, Mitglied des EEN Enterprise Europe Network EEN, das weltweit größten Netzwerk dieser Art, mit 600 Beratungsstellen in ganz Europa und einer riesigen Datenbank, die wir gratis nutzen können. Wenn einer unserer Kunden einen Technologiepartner in einer bestimmten Region sucht, rufe ich einfach meinen Kollegen dort an, wir filtern die geeigneten Kandidaten heraus und bringen die Unternehmen in Verbindung. Überlegen Sie, wie viel Zeit die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer dadurch sparen. Bisher mussten sie zum Event X fahren, um Unternehmen zu treffen, die vielleicht für sie interessant sein könnten.
EU Opportunities bedeuten also im Wesentlichen finanzielle Hilfe und Partner-Netzwerk. Wer darf sich an euch wenden? Nur Start-ups, die in den Inkubator des NOI Techpark aufgenommen wurden?
Alle dürfen. Alle Unternehmen, die ihren Sitz in Südtirol haben. Wir bieten einen öffentlichen Dienst an. Natürlich haben Start-ups, die schon hier im Haus sind, es leichter. Wenn wir uns treffen wollen, sause ich einfach in den dritten Stock hinauf.
Muss ein Start-up sich heute auf dem europäischen oder internationalen Markt behaupten, um zu überleben?
Überleben können Start-ups auch in der Region. Wer aber wachsen will, muss sich heute mit Unternehmen in Europa und der Welt messen. Darauf wollen wir die Start-ups vorbereiten. Und auch die Europäische Kommission fordert, dass Unternehmen, die gefördert werden, europäische Bedeutung anstreben. Sie müssen also von einem europäischen Geist, ja, sogar Ehrgeiz, getrieben sein. Für die aussichtsreichsten Start-ups hat der European Innovation Council EIC deshalb ein besonders kompetitives Förderprogramm entwickelt: den EIC-Accelerator, auch Champions League genannt. Wir sehen es als unsere Mission, möglichst viele Südtiroler Start-ups dort durchzubringen.
Und wie funktioniert dieser EIC-Accelerator? Wie macht man Start-ups fit für Europa?
Im Accelerator werden Fördergelder bis maximal 17,5 Millionen Euro pro Start-up und KMU vergeben. Diese Summe setzt sich zusammen aus Beiträgen und – das ist neu – einem Equity-Programm, also einer Co-Finanzierung durch Eigenkapital, zum Beispiel für jene Phase, wo die ausgereifte Technologie vermarktet werden muss. Das ist wirklich die Schmiede der Besten. 300 schaffen es im Jahr, bei jedem Call werden ca. 60 ausgewählt. Man hofft, hier die neuen Einhörner zu entdecken. Nur die Besten kommen also durch. Und die Besten heißt, jene mit einer disruptiv-innovativen Technologie. Zwei Kandidaten aus Südtirol, die wir begleitet haben, haben den Zuschlag heuer um ein Haar verpasst: Bluetentacles, ein Start-up für automatisierte Bewässerung in der Landwirtschaft, und Mirnagreen, ein Unternehmen, das Nahrungsergänzungsmittel aus pflanzlicher MicroRNA herstellt.
Warum waren sie nicht gut genug? Was hat gefehlt?
Beide haben 13 von 15 möglichen Punkten erreicht, eigentlich fast 14. Die Jury hat wirklich nur Details kritisiert. Bei dem einen Unternehmen sollte die Vermarktungsstrategie im Businessplan geschärft werden, im anderen Team fehlte den Juroren ein Experte für eine Schlüsseltechnologie des Projekts. Es gab also leider kein Geld, trotzdem wurden beide Unternehmen mit dem Qualitätssiegel „Seal of Excellence“ ausgezeichnet.
Können die Verlierer mit diesem Siegel etwas anfangen oder ist das einfach der Trostpreis?
Irgendwie ist es der Trostpreis, ja. Aber dieses Siegel ist doch wichtig. Es macht die Runde, man kennt es allmählich in Investorenkreisen. Auch einige Events sind exklusiv den Trägern dieser Auszeichnung vorbehalten, etwa Präsentationen vor möglichen Investoren. Ab 2021 erhalten diese Exzellenz-Start-ups spezielle Beratungstage geschenkt. Und sie werden in die Comunity der Siegelträger aufgenommen, sozusagen das Sprungbrett für das Matching mit Industriepartnern. Vor allem aber steht den Unternehmen praktisch auf die Stirn geschrieben: Ich bin es wert, gefördert zu werden, und zwar ohne weitere Begutachtung. Die Europäische Kommission arbeitet sogar daran, dass die Nationalstaaten und Regionen diese Unternehmen im Anschluss direkt fördern. Das möchten wir als NOI Techpark auch, es wäre wie eine zweite Chance für die Unternehmen. Aber auch so sagen uns die Unternehmen: „Wir haben nicht verloren. Jetzt wissen wir wenigstens, was wir wert sind und dass wir auf dem richtigen Weg sind.“
Dürfen abgewiesene Unternehmen sich auch mehrfach im EIC Accelerator bewerben?
Ja. Deshalb haben wir auch Bluetentacles und Mirnagreen noch einmal eingereicht. Beide Unternehmen haben ihre Projekte nachgebessert. Im November wird die Entscheidung fallen. Ab 2021 allerdings dürfen sich Unternehmen maximal zwei Mal bewerben. Ich halte das für sinnvoll. Ein Unternehmen, das nicht einmal das „Seal of Excellence“ erreicht, wird in der Accelerator-Liga keine Chance haben.
Wie messen Sie im NOI Techpark, welches Start-up Aussicht auf Erfolg hat und welches nicht?
Wir sind natürlich dauernd in Kontakt mit unseren Kollegen vom Start-up-Incubator. Da fühlen wir vor, welche Start-ups für welche EU-Programme in Frage kommen. Es gibt ja nicht nur den EIC-Accelerator. Dann organisieren wir ein Assessment mit den jeweiligen Start-ups. Manchmal treffen wir uns auch mehrmals. Wir klopfen die Projekte auf die geforderten Kriterien ab, denn das Wichtigste ist, dass wir abschätzen können, ob eine Geschäftsidee mit anderen Projekten im Wettbewerb mithalten kann. Wir können nicht garantieren, dass unsere Start-ups gewinnen, aber wir können sie darauf trimmen, die Anforderungen bestmöglich zu erfüllen. Das heißt allerdings auch, dass wir den Start-ups offen und ehrlich sagen, ob sie eine Chance haben oder nicht.
Die Start-ups werden also im NOI Techpark vorbereitet. Was sind denn absolute Must-Haves?
Für uns sind das drei Punkte. Erstens: die Reife der Technologie, die dem Start-up zugrunde liegt. In der Regel sprechen wir von disruptiver Technologie, diese muss nicht absolut neu, im Sinne von nie dagewesen, sein, aber aus dem Geschäftsmodell muss klar werden, wie diese Technologie einen neuen Nutzen in die Welt bringt und wie schnell und effektiv dies geschehen kann. Für den EIC-Accelerator braucht ein Projekt die Technologiereife TRL 6, d.h. es gibt bereits einen Prototyp, der funktioniert und in 24 Monaten marktreif sein wird. Da haben wir selten Schwierigkeiten. Die meisten Start-ups sind technologisch top. Der zweite Punkt betrifft die Vermarktung, und da sind wir traditionell eher schwächer. Im Incubator helfen wir dann mit speziellem Coaching nach. Drittens schließlich: Wie schreibe ich einen Antrag, mit dem ein Unternehmen gewinnen kann? Das ist die Aufgabe meines Teams. Und dafür begeben wir uns in die Rolle der Gutachter und arbeiten eigens mit externen Experten zusammen, die selber Gutachter sind. Eine EU-Förderung gewinnt man nur, wenn man die Sache ernst nimmt. Und wenn ein Start-up reif für den Wettbewerb ist. Das muss man wissen. Und das sagen wir den Start-ups auch.
Wenn Sie nachdenken: Wie viele Start-ups, mit denen Sie in Kontakt sind, haben denn im Moment das Zeug für die Champions League, also den EIC-Accelerator?
Derzeit kommen für mich vier in Frage, mit denen wir bereits weitreichende Gespräche geführt haben. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir weitere vier oder fünf wir so weit bringen werden, dass sie sich im kommenden Jahr bewerben können.
Also neun insgesamt. Das scheint mir eine Menge, wenn man etwa der Studie 2019 der Goethe-Universität von Frankfurt glaubt, die besagt, nur vier Prozent der überlebenden Start-ups schaffen den Schritt zum Scale-up.
Ich würde mich durch die Zahlen nicht entmutigen lassen. In den Gesprächen mit den Start-ups mache ich immer klar, wer die wahren Mitbewerber sind. Und das sind eben nicht die, die es nicht schaffen, sondern jene, die die 13 Punkte und mehr erreichen. Also nicht die 2.000 Start-ups, die sich bewerben, denn unter diesen sind dann nur 150 wirklich starke, die zum finalen Pitch zugelassen werden. Von diesen Finalisten erhält dann immerhin fast die Hälfte den Zuschlag. Einer von zwei kommt durch. Das ist doch ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann, oder?
Was haben denn diese Scale-up-Kandidaten gemeinsam? Was macht sie so interessant?
Die EU-Kommission achtet auf drei Dinge. An diesen orientieren auch wir uns. Das ist erstens – wie gesagt – die Technologie. Zweitens das Team. Zunehmend achtet die Jury darauf, dass alle Kompetenzen vorhanden sind, um das zu erfüllen, was der Business Plan verspricht. Und da sehe ich ganz deutlich: Es werden Teams bevorzugt, deren Chef oder Chefin bereits Erfahrung im Industriebereich haben, sie gelten als glaubwürdiger. Besser noch, wenn sie vorher bereits Start-ups gegründet und verkauft haben. Auf jeden Fall überzeugen Teams mit verschiedenen Kompetenzen eher als Teams aus reinen Technologieexperten oder Forschern. Letztere haben praktisch keine Chance. Und als drittes Kriterium zählt natürlich der Business Plan. Dann gibt es rundherum noch ein paar Dinge, die Pluspunkte bringen: Gab es bereits Investorengespräche oder kleine Finanzierungen, oder vielleicht einen Preis oder Absichtserklärungen potentieller Kunden?
Was geschieht, wenn ein Unternehmen kein Champion wird? Ist es dann verloren für Europa?
Nein, es gibt viele Start-ups, die einfach langsamer wachsen. Europa bietet so viele Programme für alle Stadien eines Unternehmens. Deshalb sage ich den Start-ups immer, wir müssen nur den richtigen Wettbewerb für dich finden. Vielleicht gibt es dann weniger oder kein Geld, dafür aber kostenlose Dienstleistungen oder Partnerschaften oder Zugang zu Equity-Möglichkeiten. In den kommenden sieben Jahren werden besonders Start-ups in den Bereichen Green und Digital profitieren. Für sie sind besondere Förderungen vorgesehen.
Es gibt viele Vorurteile gegenüber der EU. Zu kompliziert, wenig transparent, zu bürokratisch. Manche Unternehmen weichen lieber auf den sicheren Zapfhahn aus: das Landesgesetz 14 von 2006. Da kommt zwar weniger Geld, dafür aber kommt es.
Sagen wir so: Wir haben Glück in Südtirol, dass es die Entwicklungsförderung des Landes gibt. Andere Provinzen beneiden uns darum. Aber wer sich mit 100.000 Euro begnügt, gut, der wird halt eine kleine Firma bleiben. Das Gesetz hat Grenzen, die Geldmittel sind beschränkt und wir wissen nicht, wie lange sie reichen. Wer nach Europa zielt, will an die Spitze. Und wer 2,5 Millionen Euro Fördergeld anstrebt, muss sich dann eben der Konkurrenz aussetzen. Das bedeutet Aufregung und viel Arbeit, aber auch Aussicht auf etwas Großes. Wir sind Partner von Europa, also nutzen wir doch diese Gelder! Deshalb gibt es mich und mein Team. Wir sind dazu da, den Unternehmen zu helfen, durch diesen Dschungel zu kommen. Unter uns: Es ist oft einfacher, direkte Zahlungen der EU zu erhalten als die bürokratischen Hürden in Italien zu nehmen. Es reicht nur nicht, zu meinen, in zwei Tagen ist der entsprechende Antrag geschrieben, das nicht.
Gibt es auch besondere EU-Förderungen für Start-ups von Frauen?
Es gibt EU-Fonds für Frauen als Unternehmerinnen, das sind aber vor allem Preise. Die EU-Kommissarin Ursula von der Leyen hat jetzt allerdings durchgesetzt, dass im EIC Accelerator, also in der Champios League der Start-ups, ab 2021 frauengeführte Start-ups bevorzugt werden, bei gleicher exzellenter Leistung, versteht sich. Mindestens 35 Prozent der geförderten Projekte müssen ab nun frauengeführt sein.
Was passiert, wenn ein Start-up den europäischen Höchstbetrag erhält und es dann nicht schafft?
Da muss ich überlegen ... natürlich ist es öffentliches Budget, à fonds perdu. Und man weiß, dass Start-ups hoch riskante Investitionsobjekte sind. Aber: In der Regel scheitern Start-ups nicht, wenn sie liquide sind.