
Der Klimawandel setzt den Reben zu. Dem Weißwein in Südtirol wird es im Tal zu warm. Die Säure geht verloren, die Trauben werden zu süß. Das Versuchszentrum Laimburg sucht nach Lösungen. Am Tag des Weines und der Rebe wurden erste Ergebnisse vorgestellt. Soviel vorab: Der Wein klettert auf den Berg.
Die beste Zeit für den Südtiroler Weißwein kommt vielleicht erst. Keiner kann sagen, wann das sein wird. Nicht einmal die Forscherinnen und Forscher des Versuchszentrums Laimburg mit Sitz in Pfatten und im NOI Techpark in Bozen. Wir werden es wissen, sobald in anderen Weinbaugebieten die Berge zu kurz werden. Bis dahin untersuchen Wissenschaftler, Bauern und Produzenten in Südtirol, wie Reben in höheren Lagen gedeihen und neue Rebsorten mit Klimawandel, Pilzkrankheiten und drohender Wasserknappheit umgehen. Klimakrise, Nachhaltigkeit und Qualität sind die Treiber der Forschung in Weinbau und Kellerwirtschaft.
Kurz: Wird es der Weißburgunder schaffen oder steigen wir bald auf neu gezüchtete Rebsorten um? Das ist die große Frage im Ringen um Säure, Fülle und Aroma. Sie zieht alles andere nach sich. „Von dem, was ich wo heute pflanze, muss ich in den nächsten 20 Jahren leben, ich sollte also wissen, wie mein Standort in Zukunft aussieht, damit ich heute das Richtige tue“, sagt Walter Guerra, Leiter des Instituts für Obst- und Weinbau des Versuchszentrums Laimburg, am Tag des Weines und der Rebe, mit Blick auf einen Hang voll Weinreben. Das Richtige. Kaum etwas ist derzeit schwerer einzuschätzen.
Aufbruch in die Zukunft: Am Weißburgunder wird die Temperatur für Südtirols Weinbau gemessen
Es ist früh am Morgen, als die Tagung eröffnet wird. Die Sonne scheint durch den verglasten und nur filigran von metallenem Weinlaub beschatteten Raum. Zum 28. Mal findet der Tag des Weines und der Rebe statt, hat Walter Guerra nachgerechnet. Heuer ist das Versuchszentrum Laimburg mit seinen Forschungsergebnissen in der neuen Kellerei Bozen zu Gast. „Verzeihen Sie bitte, wenn die Sonne Sie hier blendet“, sagt Michael Bradlwarter, Obmann der Kellerei. Der Raum sei ein Abendsaal. Hier hören die Mitglieder der Kellerei normalerweise, welche Ziele ihre Weine erreicht haben. Die Zuhörer jetzt am frühen Morgen wollen erfahren, wohin Bauern und Produzenten morgen aufbrechen müssen. Die Weißweine sind als Erste dran. Die Forscher sehen voraus, dass ihre Reben künftig auf höhere und kühlere Lagen ausweichen können bzw. müssen. Am EFRE-Projekt PinotBlanc zeigt das Wissenschaftlerteam, wie im Versuchszentrum Laimburg das Forschungsfeld abgesteckt wird. Drei Bereiche arbeiten zusammen: Physiologie und Anbautechnik, Önologie sowie das Labor für Aromen und Metaboliten, das am NOI Techpark angesiedelt ist. „Fast eine Fußballmannschaft“, zählt Projektleiter Florian Haas auf. Tor ist, wenn der Weißburgunder in Stilistik und Sensorik typisch bleibt, obwohl die Temperatur steigt und sich mit dieser eventuell auch Höhenlage, Boden und Lesezeitpunkt wandeln. „Es muss sich alles ändern, damit alles gleichbleibt“, so Haas in Anlehnung an das Gattopardo-Prinzip des Autors Giuseppe Tomasi di Lampedusa.
Früher hat das Klima gemacht, dass alles stimmt. Kühle Nächte haben dafür gesorgt, dass die Säure in die Trauben kommt und der Zucker unter Kontrolle bleibt. Nun ist es nachts immer seltener frisch an den bewährten Standorten. Und auch tagsüber wird es für Weißwein im Tal langsam zu heiß.
Die Auswirkungen des Klimawandels beobachten die Forscher des Versuchszentrums Laimburg bereits seit 20 Jahren. „Die Weinlese beginnt gut 14 Tage früher als 1985“, sagt Florian Haas. „Die wissenschaftlichen Daten sind eindeutig“, so auch Walter Guerra. In den vergangenen hundert Jahren stieg die Temperatur im Alpenraum um 1,9 Grad Celsius, die Erwärmung schreitet schneller voran als je zuvor. 2050 wird es in Südtirol keine Gletscher mehr geben.
Die Klaviatur der Berge: Wie man dem Wein das Spielen mit Höhen und Tiefen beibringt
Das Projekt PinotBlanc läuft seit zwei Jahren und wurde nun um ein Jahr bis 2020 verlängert. Analysiert werden Weißburgunderreben in den Weinbaugemeinden Eppan, Terlan, Nals und Tramin in Lagen zwischen 220 und 730 Meter Höhe. 90 Versuchsweine wurden bis dato hergestellt. Das Ergebnis? Schwer zu sagen. Seriöse Forschung ist komplex. Und das Klima der einzelnen Jahre im Untersuchungszeitraum alles andere als einheitlich. So konzentrieren sich die Forscher noch immer darauf, den Unterschied zwischen hohen und tiefen Lagen festzustellen. „Wir versuchen zu erfassen, ob wir schon den Punkt erreicht haben, wo wir aus den tiefen Lagen flüchten müssen, oder ob wir den größten Vorteil daraus ziehen, dass wir so diversifiziert sind, also hohe Lagen nutzen können und trotzdem tiefe Lagen haben“, sagt Florian Haas.
Die Klaviatur der Berge zu spielen. Das scheint im Augenblick am aussichtsreichsten. Gerade im Vergleich mit zarthügeligen Weinbauregionen. Als Beispiel führt Haas die Toskana an, „wo in der klassischen Weinbauzone der höchste Hügel bei 400 Meter aufhört.“ Die Forscher schauen derzeit wie durch eine Gleitsichtbrille. In der Ferne versuchen sie zu erkennen, auf welchen Höhenstufen sich der Weinbau einpendeln wird, in der Nähe sehen sie, dass Details die Untersuchungsergebnisse massiv beeinflussen. „Im Moment stellen wir fest, dass in kühlen Jahrgängen tiefere Lagen einen Vorteil haben, weil die Klimaerwärmung noch nicht so fortgeschritten ist. Wir brauchen in Zukunft aber sicher tiefe und hohe Lagen, um stabil zu bleiben“, sagt Florian Haas.
Die Kunst der Entscheidung: verstehen, was sich tut, was möglich ist und was richtig scheint
Es wird keine Panik verbreitet am Tag des Weines und der Rebe. Die Botschaft an Bauern und Produzenten ist: Es tut sich etwas, wir erheben genau, was. Daten werden gesammelt, Wissen wird ausgewertet. Dezidiert sagt Ulrich Pedri, Leiter des Fachbereichs Önologie am Versuchszentrum Laimburg, über das Projekt PinotBlanc: „Unser Ziel ist es, den Weißburgunder besser zu verstehen. Nur so können wir den Weinproduzenten Instrumente in die Hand geben, mit denen sie die Weinherstellung in Zukunft bewusst steuern. Das kann die Meereshöhe sein, das können aber auch andere Faktoren sein.“
Radikal wäre ein Sortenwechsel. Für Südtirol eine Ultima Ratio, wie es aussieht. Während neue Apfelsorten willkommen sind, geben sich die Südtiroler beim Wein konservativ. Am Versuchszentrum Laimburg wird deshalb zwar Apfel- und Erdbeerzüchtung betrieben, in Sachen Rebzüchtung hat es jedoch noch reinen Beobachterstatus. „Das Sortenrad dreht sich nicht so schnell wie beim Apfel und anderen Kulturpflanzen“, sagt Thomas Letschka, Molekularbiologe und Leiter des Fachbereichs Angewandte Genomik und Molekularbiologie, bei der Tagung. „Im Gegenteil: Man investiert in etablierte Sorten, die Tradition haben und mit denen man bisher gut gefahren ist.“
Dennoch sind Südtirols Forscher auf der Hut. Klimawandel, sagen sie, und der Ruf nach Nachhaltigkeit bei Produzenten und Konsumenten seien Faktoren, denen man mit einem Sortenwechsel möglicherweise erfolgreich begegnen könnte. Im Versuchszentrum Laimburg werden Ergebnisse der internationalen Sortenzüchtung gesammelt, aufbereitet und überwacht. Für den Ernstfall hat Thomas Letschka die Fühler ausgestreckt: „Wenn wir in die Rebzüchtung einsteigen, werden wir uns sicher nicht allein hinstellen und bei Null anfangen, sondern bewährte Kooperationspartner suchen.“
Für später aufgeschoben: Gentechnik, die keine mehr ist
Neben der herkömmlichen Züchtung durch Kreuzung könnten auch Arbeiten im Labor verfolgt werden. Thomas Letschka: „Das sind sehr innovative Methoden, die heute noch als Gentechnik gelten, allerdings mit klassischer, negativ behafteter Gentechnik nichts mehr zu tun haben. Die Produkte, die da entstehen, sind nicht zu unterscheiden von Pflanzen und Sorten, die außerhalb des Labors entwickelt werden.“ Außerhalb des Labors, das würde heißen, klassische Züchtung im Feld und 20 Jahre auf Ergebnisse warten. Ob klassisch oder modern, es wird wieder einmal ein Gipfel angestrebt. Berge gibt es in Südtirol genug. Nach oben ist viel Platz. Kühe schaffen es in Südtirol bereits auf den Schlern. Warum also nicht Weißburgunder & Co.
FACT SHEET
Das Versuchszentrum Laimburg ist die führende Forschungsinstitution für Landwirtschaft und Lebensmittelqualität in Südtirol und betreibt vor allem angewandte Forschung. Seit 2018 ist sein Labor für Aromen und Metaboliten im NOI Techpark angesiedelt. Das Labor führt Untersuchungen zu Lebensmittelqualität und Pflanzengesundheit durch.Im EFRE-Projekt PinotBlanc wird untersucht, welche agronomischen und meteorologischen Faktoren das typische Aromaspektrum des Weißburgunders beeinflussen. Gemeinsam mit der Freien Universität Bozen prüft und authentifiziert das Versuchszentrum zudem den Ursprung von Agrarprodukten. Umgekehrt findet ein großer Teil der Forschung im Lebensmittelbereich in den Laboren am Laimburg-Sitz in Pfatten statt.