5 min read
Smarte Landwirtschaft: Mit diesen „blauen Tentakeln“ können bis zu 30% Wasser eingespart werden
2019-09-03 2019-09-03 3 September 2019 - Chiara Currò Dossi
5 min read
Bild

Sensoren auf dem Feld und eine App für die Landwirte: Bluetentacles heißt das auf KI basierende System, mit dem landwirtschaftliche Flächen nun ausschließlich nach Bedarf bewässert werden können. Das Ergebnis? Wasser- und Energieverbrauch werden gesenkt und die Ressourcen unseres Planeten geschont.

„Den Wasserhahn beim Zähneputzen zuzudrehen ist gut und richtig; im Vergleich zu der Menge an Wasser, die mit intelligenter Landwirtschaft eingespart werden kann, sind die Auswirkungen solcher Maßnahmen jedoch verschwindend gering. Immerhin sind bis zu 70% des weltweiten Wasserverbrauchs auf die Landwirtschaft zurückzuführen.“ Sicherlich, es zählt die gute Absicht und im täglichen Kampf gegen die Verschwendung natürlicher Ressourcen ist jeder Einzelne gefragt. Aber auch hier gilt: Die Menge macht den Unterschied. Aus genau diesen Überlegungen heraus entstand die Idee für das Start-up Bluetentacles. Marco Bezzi und seine beiden Gründungspartner erkannten, dass das größte Potenzial zum Sparen von Energie und Wasser eben genau hier steckt: in der Landwirtschaft. Um genauer zu sein, in der Landwirtschaft 4.0. Das junge Unternehmen hat daher ein System entwickelt, das Elektronik und IT in bereits vorhandene Bewässerungsanlagen integriert. Ziel ist es, das Wasser-und Energiemanagement der Landwirte zu optimieren und der Verschwendung wertvoller Ressourcen den Kampf anzusagen.

Um ihre Idee weiterzuentwickeln, sind die drei Start-upper in den NOI Techpark, ins Bozner Innovationsviertel, gezogen. Seit Februar diesen Jahres befindet sich hier der Sitz der Firma. Bluetentacles ist ursprünglich aus dem Trentino, wurde in Südtirol aber mit offenen Armen empfangen und aufgenommen. Bezzi schwärmt: „Wir haben den NOI Techpark wegen seiner Dynamik gewählt – wegen der vielen interessanten Veranstaltungen, die hier stattfinden, und der Möglichkeiten, mit lokalen Verbänden und Unternehmen in Kontakt zu treten. Außerdem ist die Südtiroler Landwirtschaft ein Vorzeigemodell.“ Fundiertes Know-how im Bereich der Präzisionsbewässerung: darauf aufbauend konnten die drei Gründer — zwei Umweltingenieure und ein Bewässerungstechniker — ihre innovative Idee entwickeln und umsetzen. „Über viele Jahre hinweg haben wir im direkten Austausch mit Bewässerungskonsortien aus der Region gearbeitet. Dadurch hatten wir die Möglichkeit, uns ganz konkret mit den Bedürfnissen der Landwirte auseinanderzusetzen.“

Im Einzelnen ging es hier insbesondere um die Optimierung der bereits installierten Bewässerungsanlagen. „Ausgangspunkt unseres Projektes war die Tatsache, dass sich im Bereich der Bewässerung schon vieles getan hatte. Von den Beregnungsanlagen gelangte man zur Tröpfchenbewässerung, die hinsichtlich der Wasserverteilung zwar sehr effizient ist, deren Steuerung aber Defizite aufweist. Auch heute noch wird hier nach Zeitplänen bewässert, ohne dass auf Wetter und Klima oder andere Umweltparameter geachtet wird.“ Ob es gerade regnet, kurz vorher geregnet hat oder bald regnen wird, sei dem System in diesem Fall egal. Und das bedeute eine enorme Wasserverschwendung. Bezzi führt weiter aus: „Die Landwirte müssen technologisch auf den neusten Stand gebracht werden, zumal sie so die eigenen Anlagen intelligenter steuern können — was sich nicht zuletzt auch finanziell positiv auswirkt. Neue Tools haben ihren Preis, genauso wie Energie. So wird auch der Wasserverbrauch einen immer gewichtigeren Platz in den Budgetplanungen von Unternehmen einnehmen.“

Aus diesen Überlegungen entstand die Idee, auf Retrofit zu setzen. „Mit Bluetentacles wird die Elektronik und IT in bereits installierte Bewässerungsanlagen integriert. Es handelt sich um eine Hardware-und Software-Lösung, die auf der Nutzung von künstlicher Intelligenz und IoT basiert und maximale Effizienz garantiert“, erläutert der Kopf des Unternehmens weiter. Mit einer App kann der Landwirt den Zustand der eigenen Anbauflächen und der Bewässerungsanlage ständig und in Echtzeit überwachen. „Es werden der Feuchtigkeitsgrad des Bodens und die Strahleneinwirkung der Sonne analysiert. Die erhobenen Daten werden auf eine Cloud geladen, um dort mit Satellitendaten, Wetterdaten und anderen, weltweit zur Verfügung stehenden Klimadaten ergänzt zu werden. Durch künstliche Intelligenz wird für den Landwirt eine individuelle Empfehlung zur Präzisionsbewässerung erarbeitet, die er dann nach eigenem Ermessen umsetzen kann.“

Retrofit ist Synonym für Kreislaufwirtschaft; ein Prinzip, das voll und ganz der Philosophie von Bluetentacles entspricht: „Wir bieten eine Möglichkeit, Wasser zu sparen, damit es anderweitig verwendet werden kann – aber nicht nur. Benötigt man weniger Wasser für die Bewässerung, wird auch der Energieverbrauch der Wasserpumpe begrenzt. Mit Bluetentacles können bis zu 30% Wasser und bis zu 20% Energie gespart werden. Einige Konsortien konnten sogar Einsparungen von bis zu 50% verzeichnen.“ Auch die Zeit für die Amortisation ist überschaubar. „Handelt es sich um die Nachrüstung einer Anlage mittlerer Größe, dauert es circa ein Jahr, bis die Kosten wieder drin sind. Sollte noch keine automatisierte Anlage installiert sein, also eine Anlage komplett neu angelegt werden müssen, kann es bis zu drei Jahren dauern.“

Eines wird deutlich: Das Konzept der Landwirtschaft 4.0 nimmt immer konkretere Formen an, wobei es eng mit dem der Blue Economy — ein Ansatz, der auf nachhaltige Entwicklung und Null-Emissionen durch Innovation setzt — verflochten ist. Letzteres ist auch namensgebend für Bluetentacles: „blue“ bezieht sich auf das Wasser und eben die Blue Economy; „tentacles“ auf das Kommunikationsnetzwerk, das in den Feldern zur Bedienung der Systeme angelegt wird. Es gehe, so Bezzi, im Kern darum, Innovation in die Landwirtschaft zu bringen: „Wir wollen die modernsten Technologien – wie das Internet der Dinge und fortschrittliche Sensorik – verwenden, um die Landwirtschaft und insbesondere die Bewässerung intelligenter zu machen. Unser System kann bei der im Obst- und Weinbau am weitesten verbreiteten Art der Bewässerung, der Tröpfchenbewässerung, angewandt werden; aber wir arbeiten auch an einer Lösung für Pivot-Beregnungssysteme (jene mit rotierenden Trägern und daran angebrachten Sprühdüsen).