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Der Datenlebenszyklus
2021-11-30 2021-11-30 30 November 2021
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Die Beobachtung und Vermessung der Welt sind seit den Zeiten Galileis die Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischen Fortschritts. Doch die Welt zu vermessen, ist kein mechanischer Akt: Man muss Daten vertrauen können und wissen, was man damit machen kann. Roberto Monsorno, der in Padua Ingenieurwissenschaften studierte, arbeitet seit 2009 für Eurac Research und leitet seit 2019 das Zentrum, das sich mit dem Management des "Datenlebenszyklus" befasst — von der Datenerhebung durch Sensoren bis hin zu ihrer Analyse und Nutzbarmachung in Form von konkret anwendbaren Informationen.  

Herr Professor, wie hat die Arbeit Ihres Forschungszentrums im NOI Techpark begonnen?

Im September 2021 wurde das 2018 begonnene Projekt zum Bau eines Umweltsensorlabors von Eurac Research im NOI Techpark abgeschlossen. Als Center for Sensing Solutions haben wir die Erfahrungen des Earth Observation Institute in das Management des Datenlebenszyklus eingebracht. Dank der Sensortechnik, die wir über die Entwicklung von Sensorprototypen abdecken, bringen wir Daten in organisierte Strukturen und stellen Unternehmen die Werkzeuge zur Verarbeitung der Daten zur Verfügung.

In welchen Bereichen wird Ihre Forschung angewendet?

Unser Zentrum beschäftigt sich hauptsächlich mit Umweltmessungen: von der Vegetation über biophysikalische Parameter wie Temperatur und Luft- und Bodenfeuchtigkeit bis hin zu Nährstoffen. Anschließend bringen wir diese Kompetenzen in anderen Anwendungsfeldern ein, beispielsweise in Landwirtschaft und Handwerk. Wir arbeiten mit unterschiedlichen Unternehmen zusammen, mit dem Ziel, mit maßgeschneiderten Lösungen auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Mit einem davon entwickeln wir beispielsweise eine nicht-invasive Methode, um den Reifegrad von Kiwis direkt auf dem Feld zu bestimmen.

Welchen Ansatz verfolgt das Center of Sensing Solutions?

Unsere Aufgabe besteht darin, Sensoren – die wir in Abhängigkeit von der jeweiligen Aufgabe auswählen oder entwickeln – in Systeme zu integrieren, die Daten in nützliche Informationen umwandeln. Unser Ansatz folgt den Grundsätzen der Verwendung der „FAIR“-Daten. Nach diesem Akronym müssen Daten folgendermaßen sein: identifizierbar ("findable"), nutzbar ("accessible"), interoperabel in verschiedenen Systemen durch gemeinsame Protokolle ("interoperable"), wiederverwendbar und an unterschiedliche Forschungsbedürfnisse anpassbar ("reusable"). Wir können Rohdaten mit dem Schmieröl eines Motors vergleichen. Sie sind kein Kraftstoff, denn die Daten treiben den Motor nicht an. Unser Ansatz besteht darin, zu versuchen, Daten in Informationen umzuwandeln. Erst dann erlangen die Daten Anwendbarkeit und damit Wert. Und Informationen sind der eigentliche Kraftstoff des Motors.

Im NOI Techpark werden einige Forschungsprojekte durch den Wettbewerb Fusion Grant unterstützt, einer Initiative der Stiftung Südtiroler Sparkasse in Zusammenarbeit mit NOI Techpark, Südtiroler Wirtschaftsring und Wirtschaftsnetz. Auch Sie koordinieren eines dieser Projekte. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Der Wettbewerb Fusion Grant bringt sehr viel, denn er bietet die Möglichkeit, in kurzer Zeit Technologietransferprojekte durchzuführen und dabei von Beginn an den konkreten Nutzen für die Partnerunternehmen mitzudenken. Gleichzeitig investieren wir in die Entwicklung junger Forschender. Das Projekt, das ich koordiniere, zielt darauf ab, die Messgenauigkeit von Low-Cost-Sensoren mit künstlicher Intelligenz zu erhöhen. Hochpräzise Sensoren sind gewöhnlich sehr teuer und sind deshalb nur schwer verbreitet einzusetzen. Zukünftig erwarten wir, dank kostengünstigerer Sensoren mehr Messstellen zu ermöglichen. Diese haben aber auch eine geringere Genauigkeit. Diesen Nachteil versuchen wir, mit Hilfe künstlicher Intelligenz wettzumachen. Konkret testet unser Projekt Sensoren für die Luftqualität durch den Vergleich mit dem Sensor des Labors für physikalische Chemie? der Autonomen Provinz Bozen. Wir haben die Erlaubnis erhalten, unseren Sensor in unmittelbarer Nähe des Laborsensors zu installieren, der 20 Mal teurer ist. So sind wir in der Lage, die Algorithmen der künstlichen Intelligenz unserer Low-Cost-Sensoren so zu kalibrieren, dass sie genauere Daten liefern. Das Projekt dauert ein Jahr und läuft nun aus. Wir haben im Januar angefangen; im Juni haben wir den ersten Prototyp-Sensor installiert und mit der Datenerfassung begonnen. Bereits mit den ersten Algorithmen, die wir getestet haben und die wir noch perfektionieren, haben wir Variationen des Messsignals erhalten, die sehr nahe an den Referenzdaten lagen.

Ein offensichtlicher Erfolg.

Ja, aber nicht nur aus Sicht der Forschung. Der Mehrwert dieses Projekts liegt meiner Meinung nach in dem großartigen Netzwerk von Partnerschaften, das wir um das Projekt herum geschaffen haben. Außerordentliche Unterstützung haben wir von NOI Tech Transfer Digital erhalten, dank der wir über den OpenData Hub Zugriff auf die Daten der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz erhalten haben. Wir konnten auf das Labor für physikalische Chemie der Provinz Bozen und die Bruno-Kessler-Stiftung zählen, die einen der Sensoren entwickelt und geliefert hat, mit dem wir nun arbeiten. Von der Freien Universität Bozen unterstützen uns einige Studierende, die so die Möglichkeit haben, ihr KI-Wissen in die Praxis umzusetzen. In Zusammenarbeit mit dem Forscher Stefano Tondini sind sie dafür verantwortlich, kontinuierlich Modelle des maschinellen Lernens zu testen, um herauszufinden, welches am besten geeignet ist, unseren Sensor präziser zu machen.

Wie sieht die Zukunft für Eurac Research und NOI aus?

Eurac Research ist eng mit dem NOI Techpark verwoben, da 50% unseres Instituts tatsächlich hier arbeitet. Wir beteiligen uns auch an Schulungsprogrammen für Unternehmen und Unternehmer*innen, die mit oder innerhalb des Techpark arbeiten. NOI ist wirklich ein wichtiges Asset für die gesamte Region. Natürlich sind auch wir ein wichtiger Partner für den Techpark und alle zusammen arbeiten wir für eine bereits greifbare Zukunft, in der er noch europäischer ausgerichtet sein wird. Ich glaube, dass die Arbeit, die viele Kolleg*innen und Partner leisten, bereits in 5 Jahren Früchte tragen und unserem Ökosystem auf europäischer Ebene eine größere Sichtbarkeit verleihen wird. Das wird auch lokalen Unternehmen ganz neue Möglichkeiten der Skalierbarkeit eröffnen.